Nachtkritik zum Konzert von Lakecia Benjamin & Soul Squad:
Mit Funky-Volldampf geht es los – und dann passiert im Laufe von energiegeladenen anderthalb Stunden in der Burghauser Wackerhalle ganz viel Überraschendes. Eine fünfköpfige Band, die mit Rhythmen wie aus einer imaginären Groove-Maschine loslegt: eine hochgewachsene Saxophonistin im weißen Anzug, die helle, grelle, scharfkantige Altsaxophonlinien spielt; eine Sängerin, ganz in Schwarz gekleidet, die sich von der stimmgewaltigen Anheizerin der ersten Konzertminuten später in einen faszinierenden Bühnengegenpart der Bandleaderin wandeln wird; ein Keyboarder in einer bizarren, weiß-schwarzen Glitzerjacke, der gern auch mal ein Solo unter den Keyboards liegend spielt, den Kopf auf den Klavierschemel gelegt und die Hände nach oben gestreckt, um wild über die Tasten zu wirbeln; ein cooler Bassist mit noch cooleren Minimal-Bewegungen – und ein Schlagzeuger voller Sicherheit, der, wie die Bandleaderin lässig sagt, „diese ganze Operation zusammenhält“. Diese „Operation“ von einer Band, die sich Truppe, Kader (squad) nennt, war eine der gerade nicht militanten Art – und endete in einem gemeinsamen Tanz mit Leuten aus dem Publikum, die sich Lakecia Benjamin auf die Bühne holte.
„Wir spielen auf der ganzen Welt für alle Arten von Leuten – und ich habe gehört, dass dieser Ort der beste in Deutschland ist.“ Augenzwinkern, Ironie, aber fern von Showprofi-Phrasen – und dann Musik, die, als Partysound getarnt, ein starkes Statement abgab. Dieses Statement benannte die Dame mit den Ohrringen in Form von Violinschlüsseln dann auch: „Musik verbindet uns.“ Und das war dann das ganze Konzert über zu spüren. Kompakte, groovende Funky-Rhythmen: Das war das eine. Und das andere: viel Blues-Feeling und sogar Gospelschmelz. Sängerin Nicola Phifer ließ in einer Ballade die Töne zu so viel seelenvoller Zartheit zerrinnen, dass man fast alle ihre Kollegen auf der Bühne vergaß, und im Duett mit Lakecia Benjamins Altsaxophon umrankten sich die Töne so stimmig und geschmeidig wie Liebende im Glückstaumel. Innig schöne, aber auch spektakuläre Momente hatte dieses Konzert, nicht nur bei artistischen Keyboardsolos und bei Saxophon-Parts, zu denen die Bandleaderin die Beine nach rechts und links schmiss oder bei einer Huldigung an Lakecias Vorbild Maceo Parker in davongaloppierendem Tempo mit elektronisch verfremdetem Sax. Auch ein langsames, ruhig über eine lange Strecke entwickeltes Saxophonsolo spielte Lakecia Benjamin einmal, und da zeigte sie ihre ganze Kunst teasenden Spannungsaufbaus und nuancenreichen Gefühlsausdrucks. Leuchtspuren mit tieferer Schönheit.
Diese profilstarke Musik machte von Song zu Song mehr Spaß. Seelenvolle Spiellust, verschränkt mit einer Botschaft, die man Song für Song auch politisch verstehen konnte. Eric Claptons „Change the world“ passte gut in den Gesamtgestus des Konzerts. Und dass zum Schlusstanz mit Burghauser Besuchern ausgerechnet Latin-Rhythmen erklangen, war sicher auch nicht bloß ein Zufall. US-Amerikaner, die die Welt umarmen und zu Latin-Sounds mit Europäern tanzen – das tut mal richtig gut in diesen Zeiten.